Zukunftsguide by Holger Weber
 

Behinderung – Warum ist das überhaupt so ein Thema?

Behinderungen – ein sehr sensibles Thema, über das, wie ich finde, viel zu wenig gesprochen und aufgeklärt wird. Dass wir im Jahr 2022 leben und trotzdem noch unglaublich viel Diskriminierung und Unverständnis existieren, sollte mehr thematisiert und vor allem geändert werden.

Gleichzeitig verstehe ich allerdings nicht, warum Behinderungen überhaut so ein großes und präsentes Thema sind. Das dürft ihr jetzt nicht falsch verstehen und vielleicht sollte ich das mal genauer erklären…

Mittlerweile bin ich 17 Jahre alt und in einem Circus aufgewachsen, in dem Kinder und Jugendliche, egal ob mit oder ohne Behinderung, eine Woche gemeinsam verbringen, jeden Tag trainieren und eine Vorstellung auf die Beine stellen, die am Ende der Woche in einem Circus-Zelt präsentiert wird. Seit ich 9 Jahre alt bin, bin ich festes Mitglied im Circus Blamage und jedes Jahr auf ´s Neue dabei. In den nächsten Jahren werde ich meine Teamerschulung absolvieren und die Kinder dann aus Trainersicht unterstützen.

Natürlich lernt man im Laufe der Jahre sehr viele neue Leute kennen und es bilden sich viele Freundschaften. Ich stehe also mit vielen behinderten Jugendlichen in sehr engem Kontakt und erlebe jedes Jahr aufs Neue viele unvergessliche Dinge mit ihnen.

Das Ganze erklärt vielleicht, warum mir das Thema des heutigen Artikels so am Herzen liegt. Ich finde es so unglaublich wichtig, darüber zu sprechen und euch heute wieder einmal 5 Tipps mit auf den Weg zu geben, die den Umgang mit behinderten Menschen erleichtern.
Denn eigentlich müsste das gar nicht so ein Thema sein, wenn man versucht einander zu verstehen und sich gegenseitig respektvoll zu begegnen.

#1 Kann ich Ihnen vielleicht helfen?

Ich kenne die Situation selbst sehr gut. In der Vergangenheit habe ich mir oftmals viel zu viele Gedanken gemacht und mir häufig die Frage gestellt, ob man nun seine Hilfe anbieten sollte oder es doch lieber lässt, um niemandem zu nahe zu treten oder gar zu verärgern.

Aber eins kann ich euch sagen - dieser Gedankengang ist in den allermeisten Fällen völlig fehl am Platz. Erfahrungsgemäß wird sich jeder freuen, dem du höflich deine Hilfe anbietest.
Wichtig ist aber, niemandem deine Hilfe aufzudringen. Warte geduldig ab, bis du eine Antwort bekommst und frage genau nach, was du machen kannst, statt einfach zuzugreifen und eventuell persönliche Grenzen zu überschreiten. Akzeptiere außerdem, wenn jemand dein Angebot ablehnt. Dein Gegenüber lebt mit der Behinderung und weiß ganz genau, was er/sie alleine schafft und was nicht.

Und hier noch ein weiterer Hinweis. Die Hilfsmittel behinderter Menschen sind für diese etwas sehr Persönliches und für Fremde absolut tabu. Denke doch mal darüber nach. Du würdest beispielsweise niemals eine fremde Handtasche öffnen. Und genauso wenig solltest du einen Blindenstock verlegen oder einen Rollstuhl verschieben, egal wie lieb du es meinst. Das gleiche gilt für den Blindenhund. Dieser ist bei der Arbeit und sollte durch Streicheln oder ungefragtes Anfassen nicht abgelenkt werden. Frage nach, bevor du den Hund berührst und akzeptiere es, unter Umständen ein „nein“ als Antwort zu bekommen.

#2 Ein Mensch wie du und ich!

Ein bekanntes Sprichwort besagt: „Kein Mensch ist perfekt, aber jeder ist auf seine Art und Weise einzigartig“. Jeder Mensch hat Dinge, in denen er/sie vielleicht besser ist als manch anderer. Aber genauso hat auch jeder von uns Dinge, die er/sie nicht so gut kann. Und das ist auch gut so! Denn diese Eigenschaften, Interessen und Begabungen machen uns zu Individuen, die sich voneinander unterscheiden und sich gegenseitig ergänzen können.
Jetzt stellen wir uns mal vor, wir lernen eine neue Person kennen.

Im Normalfall unterhält man sich erstmal über allgemeine Dinge und beginnt kein Gespräch mit der Frage: „Wie viel Geld hast du eigentlich auf deinem Konto?“, nur weil die andere Person vielleicht ziemlich wohlhabend aussieht. Die Frage „Seit wann sitzt du eigentlich im Rollstuhl?“, ist für das Kennenlernen ähnlich unangebracht.

Stelle deine Neugier folglich hinten an, lerne die andere Person erstmal kennen und frage persönliche Fragen, die etwas mit der Behinderung zu tun haben, erst dann, wenn ihr einander besser kennt und es sich ergibt. Wenn dein Gegenüber dir etwas darüber erzählen will, dann wird er/sie das schon von sich aus machen. Denn eins könnt ihr mir glauben: Es gibt genug interessante Gesprächsthemen, die für niemanden unangenehm sind oder diesen überrumpeln.

#3 Blicke sagen mehr als 1000 Worte!
Warum ist Blickkontakt eigentlich so wichtig? Nun ja, er lässt Menschen miteinander in Kontakt treten, transportiert Emotionen und strahlt Selbstbewusstsein aus. Ihr kennt das doch sicherlich aus der Schule.

Schon in der Grundschule wird uns beigebracht, während einem Referat Blickkontakt mit der Klasse zu halten. Somit vermittelt man seinen Mitschülern, dass man von dem Thema selbst überzeugt ist und regt diese dazu an, sich intensiver mit dem Inhalt des Vortrages zu beschäftigen.

Für Menschen, die mit einer Behinderung leben, ist dieser Blickkontakt meist sogar noch viel wichtiger. Schwerhörigen Personen helfen Mimik und Gestik beispielsweise dabei, den anderen besser zu verstehen.

Wichtig ist aber, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass Schwerhörigkeit nichts mit Begriffsstutzigkeit zu tun hat. Es bringt also nichts, den Gegenüber anzuschreien oder in Babysprache mit ihm/ihr zu reden.

Und ein weiterer Hinweis: Der Dolmetscher hat immer die Nebenrolle. Ist ein Dolmetscher im Einsatz, so halte trotzdem Blickkontakt mit der Person, mit der du das Gespräch gerade führst und spreche diese auch mit „Sie“ oder „du“ an. Der/die Gesprächspartner*in hat die Hauptrolle und sollte nicht übergangen werden. Der/die Sprachmittler*in wird es dir nicht übelnehmen, immerhin ist er/sie gerade bei der Arbeit und mit dem Übersetzen beschäftigt.

#4 Behinderter?! Nein, Mensch mit Behinderung

Häufig verwenden wir unbewusst Begriffe in unserem Sprachgebrauch, die für betroffene Personen diskriminierend und verletzend sein können. „Mensch mit Behinderung“ ist beispielsweise viel treffender als „Behinderte*r“, da du diesen somit nicht auf seine/ihre Behinderung reduzierst und diese nur als Eigenschaft der Person ansiehst.

Die Frau, die im Rollstuhl sitzt kann nämlich neben einer Rollstuhlfahrerin auch noch Vereinsmitglied, Mutter und Angestellte sein. Jemanden auf seine Behinderung zu reduzieren ist verletzend und genauso unangebracht wie zu sagen „Als Frau können Sie aber relativ gut Auto fahren!“.

Weitere Fehler die häufig begangen werden:

  • Gehörlose Menschen sind nicht taubstumm! Sie kommunizieren meist über Gebärdensprache, hören zwar nichts aber sind nicht stumm
  • Mongoloismus ist ein Begriff, der keine Diagnose beschreibt, sondern lediglich diskriminierend und verletzend ist. Verwendet stattdessen die Bezeichnung „Down-Syndrom“ oder „Trisomie 21“.

Das hört sich tatsächlich schwieriger an, als es ist. Gewöhnt man sich einmal daran, so muss man irgendwann nicht mehr darüber nachdenken und vermeidet manche Begrifflichkeiten automatisch. Der Prozess ist vergleichbar mit dem Erlernen des „Genderns“, was in der aktuellen Zeit ja auch ein recht wichtiges Thema ist.

Zerbrecht euch aber nicht den Kopf! Kein Mensch mit Sehbehinderung wird es dir übelnehmen, wenn du dich mit „Wir sehen uns später!“ bei ihm/ihr verabschiedest.

#5 Kommunikation ist alles…

Kommunikation ist unfassbar wichtig. Ich bin mir sicher, dass jede*r von euch schonmal Streit mit jemandem hatte, nur weil ihr aneinander vorbeigeredet oder euch gegenseitig falsch verstanden habt.

Das genannte Problem haben beispielsweise Menschen mit einer Sehbehinderung sehr häufig. Während wir sowohl optische als auch akustische Informationen aufnehmen, entfällt bei ihnen die visuelle Wahrnehmung komplett. Mit Anforderungen wie „Komm, wir setzen uns da drüben hin“, kann ein blinder Mensch recht wenig anfangen.

Versuche daher, möglichst genaue Angaben zu machen und denke vor allem daran, deinem Gegenüber mitzuteilen, wenn du den Tisch verlässt. Es kann sonst sehr unangenehm werden, wenn er/sie beginnt, sich mit einem leeren Stuhl zu unterhalten.

Vielleicht ist euch aufgefallen, dass die Tipps dieser Woche etwas länger und ausführlicher geschrieben sind. Ich hoffe es ist alles verständlich und ihr könnt etwas davon lernen!

Wie ihr merkt, könnte ich noch viel viel mehr zu dem Thema schreiben. Ich habe schon 100 Geschichten im Kopf, die ich euch sehr gerne mal erzählen kann, wenn es euch interessiert. Wenn ihr weitere Fragen habt oder vielleicht persönliche Erfahrungen mit uns teilen wollt, dann schreibt uns sehr gerne auf unserem Instagram-Kanal eine Nachricht. Ihr werdet auf jeden Fall eine Antwort bekommen!

Habt noch einen schönen Tag!

Liebe Grüße,
eure Mia :)

 
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